In der Serie „0711er der Woche“ stellen wir euch jeden Montag einen Stuttgarter vor, den man unter Umständen kennt – und doch nicht so recht kennt. Leute, die unsere Stadt durch ihr Schaffen auf verschiedenste Art bereichern, aber oftmals doch im Hintergrund bleiben. Menschen wie du und ich, die ihren Teil dazu beitragen, dass Stuttgart das ist, was es ist: unsere Stadt, die Mutterstadt. Nachdem wir mit dem jeweiligen 0711er etwas Zeit verbringen, verewigen sie sich in unserem 0711er Buch.
Erst kam er zum Studieren nach Stuttgart, kehrte der Stadt kurzzeitig den Rücken und kam dann wieder. Dieses Mal aus Liebe. Und um zu bleiben. Emanuel Vonarx hat ein Startup gegründet, das im Land Kaffee produziert – guten Kaffee. Damit zählt sein Unternehmen mittlerweile zu den erfolgreichsten Gründungen in Stuttgart. Warum er das auch den Stuttgartern selbst zu verdanken hat und wieso ausgerechnet sein Kaffee besser sein soll als anderer.
Ein Text von Jessica mit Fotos von Saeed
Billig ist teuer – nicht nur bei Kaffee
Emanuel Vonarx ist kein früher Vogel – das sagt er über sich selbst. Wenn es nicht zwingend sein muss, ist er nicht vor halb zehn im Büro in der Nähe des Eugenplatzes. Trotzdem heißt seine Firma – und die seines Mitbegründers Merlin – genau so: earlybird coffee . Der Kaffee für den frühen Vogel sozusagen. Aber natürlich auch für alle anderen, die auf guten, fair produzierten Kaffee stehen, sagt Emanuel. Seine Mission: Besseren Kaffee unter die Menschen bringen – und für weniger Bauchweh durch bitteren Industriekaffee auf der Welt sorgen. Dafür hat er vor zwei Jahren „kamikazemäßig gekündigt“ und ein Startup-Unternehmen auf die Beine gestellt.
Das macht Emanuel ohne je eine Barista-Ausbildung gemacht zu haben. Emanuel hat zwar schon immer Kaffee getrunken, intensiv damit beschäftigt hat sich aber vor allem sein Mitgründer. Deshalb sitze der auch in Aschaffenburg, wo die Rösterei der Firma steht und kümmere sich um die Produktion. Emanuel will vor allem die Message der earlybirds vermitteln: guter Kaffee muss nicht übermäßig teuer sein oder total exotisch schmecken. Und sowieso „billig ist teuer“ (was es damit auf sich hat, erklärt Emanuel in einem TEDx-Talk als Speaker). Denn wer für ein Kilogramm Kaffee nur 9,50€ ausgeben will, der brauche auch nichts davon erwarten. So einen „tot gerösteten Kaffee“ würde er niemals trinken – und übrigens auch nicht im ICE.
Wenn nichts mehr geht muss man erstmal durchatmen – und n’ Kaffee trinken
Emanuel und Merlin haben ein kleines Team um sich geschart, eine handverlesene Familie, wie er selbst sagt. „Es geht um Authentizität, eine Art power of nice . Also einfach was Sinnvolles, was Gutes zu tun“, sagt er über das Unternehmen. Der Weg dorthin? „Eine Achterbahnfahrt“, so Emanuel. „Wir standen schon zwei Mal fast vor dem Abbruch. Und das obwohl ich immer gedacht habe, ich sei so ein Unternehmercharakter. Aber wir hatten einfach doch wenig Erfahrung was es bedeutet mit einem Unternehmen von 0 zu starten.“ Das größte Problem für ein Startup ist seiner Meinung nach die Zeit: „Man rennt von Event zu Event, jeder Option hinterher. Du verzettelst dich unglaublich.“ Nach den ersten sechs Monaten merkten sie: Wenn wir so weitermachen, dann sind wir schnell durch mit dem Kapital – das komplett aus den eigenen Taschen bestand. Es sei wichtig, dann nochmal durchzuatmen. Für earlybird bedeutete das nach nur einem halben Jahr schon der erste Pivot . Man merkte, dass man vor allem die Kaffee-Probleme in Büros lösen konnte.
Und dann die Frage, die alle Startups an einem bestimmten Punkt quält – wie finanziert man sich weiter? „Und dann die Frage: Wie viel kann ich noch reingeben? Man verzichtet auf das eigene Gehalt und gibt so viel rein. Da fragt man sich irgendwann: wie lange können wir noch so leben? Aber irgendwie haben wir auch das gemeistert. Und jetzt konnten wir sogar ein neues Projekt beginnen, besser werden, uns weiterentwickeln“, sagt Emanuel.
Irgendwann geht es einfach darum: Get shit done!
Denn der Wahl-Stuttgarter und sein Team haben seit Ende 2016 ein neues Produkt in den Startlöchern: Karacho. Kaffee aus der Dose – kalt gebrüht. Das Verfahren haben Emanuel und sein Team sich von den Japanern abgeschaut: Sie packen den Kaffee für 16 Stunden in kaltes Wasser und filtern das Ganze danach – d.h. für den Kaffee: keine Hitze. So werden deutlich weniger Bitterstoffe und Säuren extrahiert, dafür mehr Koffein. Das Ganze wird dann nur mit etwas Agavendicksaft gesüßt und mit etwas Milch versetzt – dadurch sei es besonders kalorienarm und ohne irgendeine Form von Zusatzstoffen. In der zweiten Variante mit Kokoswasser sogar rein vegan. In einer nachhaltigen Dose versteht sich. Im Oktober letzten Jahres ist er 30 geworden. Und stellte fest: Seit er sich 2015 selbstständig machte, kam das ein oder andere graue Haar dazu. Aber das nimmt er locker:„Solange sie da bleiben und nicht rausfallen, ist alles gut.“
Warum er damals mit seiner Idee nicht nach Berlin gegangen ist? Ja, vielleicht gebe es bessere Startup-Städte als Stuttgart, sagt Emanuel. Aber er lobt die Stuttgarter und ihre Kultur: „Als Startup genießt man irgendwie einen Vertrauensvorschuss. Wir durften uns beweisen – und dann hat man uns akzeptiert.“ Die Anerkennung fürs Produkt habe geholfen Fuß zu fassen. Mittlerweile funktioniere das Geschäft sehr viel über Empfehlung. Allgemein passiere in Stuttgart viel für Startups: Neben verschiedensten Förderstellen von Land und privaten Initiativen gebe es viele Veranstaltungen. „Langsam passiert hier echt viel“, lobt Emanuel. Es entstehe eine richtige Szene.
Trotzdem müsse man aufs Ziel fokussiert sein – „irgendwann geht es einfach darum: Get shit done. Steht auch auf unserer Toilette. Man kann nicht überall sein und man kann sich nicht auch immer noch mehr coachen lassen.“ Letztendlich habe diese Erkenntnis dazu geführt, dass es earlybird noch nach Jahren gibt. Wenn auch in bescheidenem Rahmen: „Wir machen hier vielleicht keine vielen Millionen oder stellen laufend hunderte von Mitarbeitern ein. Wir machen das ganz bescheiden mit einer Handvoll Leute, aber sind trotzdem erfolgreich. Und dann tun wir noch was Gutes dabei. Das sind wir. Und das find ich schon ganz cool so.“
Das finden wir auch, lieber Emanuel. Wir hoffen, dass es euch noch ganz, ganz lange gibt – und ihr weiterhin leckeren Kaffee unter die Menschen bringt. Get this shit done!
NAME … Emanuel Vonarx ALTER … 30
HERKUNFT … Freiburg
WAS ICH SO MACH’ … hot and cold, talking to people, Mountainbiking and a lot of chilling
MEIN LIEBLINGSORT IN STUTTGART IST … mein Garten
GLÜCKLICH MACHEN KANN MAN MICH MIT … guter Laune und gutem Wetter
MEIN PERFEKTES WOCHENENDE VERBRINGE ICH MIT … meiner Freundin in der Natur oder auf dem Sofa
ICH KANN NICHT OHNE …viel geiles Essen mit Nachtisch
DAS SOLLTE MAN GESEHEN HABEN … die Milchstraße, mit bloßem Auge
DAS MACHE ICH, WENN KEINER ZUSCHAUT … Meine Spotify Playlist „austicken“ mit anschließendem Muskelkater
ICH WÜRDE NIEMALS … Kaffee im ICE trinken
ICH LIEBE AN STUTTGART … das keiner weiß wie gut es sich hier leben lässt
ICH HASSE AN STUTTGART … Verkehr und Mangel an Fahrradinfrastruktur
WENN NICHT STUTTGART, DANN … Freiburg
DAS HABE ICH IMMER IM GEPÄCK … Kopfhörer um bei vielen kleinen Gelegenheiten mit Familie und Freunden zu telefonieren
WENN ICH MORGENS AUFSTEHE, MACH ICH DAS IMMER ZUERST … Yoga, Liegestütze, Chia-Smoothie…nein Spaß, Kaffee & Klarkommen
SO KRIEGT MAN MICH RUM … Wein, Käse und Oliven irgendwo in der Sonne
WENN ICH DIE FREIE WAHL HÄTTE, WÜRDE ICH HEUTE ABENDESSEN MIT … Dalai Lama
UND ZWAR WO? … bei meinen Freunden Robin und Neli – meine kulinarischen Lehrer
STUTTGART, ICH WOLLTE DIR SCHON IMMER EINMAL SAGEN … aus unserem Neckar könnten wir doch mal mehr machen oder?