In der Serie „0711er der Woche“ stellen wir euch jeden Montag einen Stuttgarter vor, den man unter Umständen kennt – und doch nicht so recht kennt. Leute, die unsere Stadt durch ihr Schaffen bereichern, aber zu oft doch im Hintergrund bleiben. Menschen wie du und ich, die ihren Teil dazu beitragen, dass Stuttgart das ist, was es ist: unsere Stadt, die Mutterstadt. Nachdem wir mit dem jeweiligen 0711er etwas Zeit verbringen, verewigen sie sich in unserem 0711er Buch.


„Ich mach’ mir die Welt, wie sie mir gefällt“, hätte ein Satz unseres 0711er der Woche sein können. Markus Brodbeck, der von allen liebevoll “Brody” genannt wird, ist nicht nur ein Lebenskünstler sondergleichen, sondern auch der Kopf der gleichnamigen Modelagentur. Bei kristallklar gefiltertem Wasser hat uns der gebürtige Esslinger einen Schwank aus seinem Leben erzählt. Wir lauschten gespannt – und wie schnell doch vor der pittoresken Kulisse des Fernsehturms zwei Stündchen vergehen, wenn man auf der Dachterrasse von Brody Bookings verweilt.

Ein Text von Carina mit Fotos von Saeed

Unser 0711er betrat schon früh die Welt der Medien. Nachdem er eine Ausbildung in einer Werbeagentur absolvierte, steuerte er das Studium der Werbewirtschaft und Werbetechnik an der FH Druck und Medien, der heutigen Hochschule der Medien, an. Mit einem verschmitzten Lächeln denkt Brody an das Studentendasein zurück. Während er seine Zeit am Campus und so manche Albernheit Revue passieren lässt, könnte Frank Sinatra mit einem kräftigen „I did it my way“ für die musikalische Untermalung sorgen. Ja, aus der Reihe getanzt hat die Stuttgarter Frohnatur schon immer gerne.

Ein großes Schmunzeln widmet Brody dem Kapitel Praxissemester. Sonne, Strand und Wellen lauteten seine Kriterien für die Praktikastelle, denn ihn kribbelte es in den Beinen: Er wollte einfach mal wieder Surfen gehen. Seine Wahl fiel auf das Land der Sombreros, Vihuelas und der traumhaft weißen Sandstrände. ¡Arriba Mexico! Er hatte eine Brauerei in Guadalajara ausfindig gemacht, die nicht unbedingt die große Marketing Expertise vorwies, aber immerhin bereit war, dem Werbestudenten ein Praktikum zu offerieren, was in Mexiko absolut unüblich sei.

Mit dem Hauch eines spanischen Wortschatzes kam der junge Brody in Mexiko-Stadt an. Dort schrieb er sich für einen sechswöchigen Spanischkurs an der Uni ein. Bis dieser startete, vertrieb er sich die Zeit mit Wellen reiten und genoss die Gemeinschaft anderer Surfer am Strand von Acapulco. Einer seiner Surf-Buddys war der Besitzer eines Jeanslabels in Mexiko-Stadt, der da meinte „Praktikum schön und gut, aber die Papiere kann ich dir auch einfach unterschreiben.” Also signierte der Surf- Kompagnon den Arbeitsvertrag und gleichzeitig den Praktikumsbericht. So tauschte das Schlitzohr Brody sechs Monate Brauerei gegen die Wellen von Mexiko.

Auch der Weg in die Casting-Szene lässt sich für Brody durchaus als glückliche Fügung verbuchen. Während des Studiums war Brody als Barkeeper ein fester Bestandteil des Stuttgarter Nachtlebens. Das merkte auch sein amerikanischer Türsteher-Kollege, welcher an der Filmakademie in Ludwigsburg Regie studierte. Dessen Abschlussfilm stand vor der Tür und er suchte nach einer Besetzung für seinen Film. Wer hätte ihm da besser behilflich sein können als Brody, den jeder Gast zu kennen schien?

Ich habe ihm ein paar bekannte Gesichter, wie zum Beispiel Thomas D, vorgeschlagen und so haben wir seinem Abschlussfilm eine Semi-Promi-Wertigkeit verliehen. Dazu kamen dann noch ein paar Kids, die ich auf der Straße entdeckt hatte!

Für das Street Scouting schnappte sich Brody eine Polaroid Kamera und zog los. Er begab sich auf die Suche nach markanten Gesichtern, quatschte ein bisschen mit ihnen und knipste ein Foto von denen, die Lust hatten, bei dem Studentenfilm mitzuwirken. Diese schlug er dem Regisseur-to-be vor und gemeinsam realisierten sie das Filmprojekt.

Nachdem das Ding dann fertig war, haben die ersten gefragt, ja und was machen wir als nächstes?

Das war der Casting-Startschuss. Von nun an häuften sich die Anfragen von Fotografen, die auf der Suche nach passenden Gesichtern für Kampagnen waren. Spätestens, als er für ein Marlboro-Plakat auf der Suche nach einer dunkelhäutigen Frau mit blonden Rastas in den späten 30ern war, bekam Brodys Casting Biz einen internationalen Charakter. Er flog nach London und erweiterte seine Kartei um einige unkonventionelle Gesichter.

Ich war damals drei Tage in London, hab coole Leute getroffen, Spaß gehabt, alles gezahlt bekommen und eine Gage oben drauf verdient. Da dachte ich mir: Geiler Job, ich mach jetzt in Casting.

So schlug 1997 die Geburtsstunde von Brody Bookings, mit einem Büro in dem legendären Radio Barth Gebäude am Rotebühlplatz. Da sich in dem Geschäftshaus sämtliche Kreative aus der Stuttgarter Musik- und Kulturszene ansiedelten, wurden Brodys Dienste immer wieder benötigt. Doch davon leben konnte er nicht.

Ich habe parallel immer als DJ und Barkeeper gearbeitet und mir so die Anfangsjahre finanziert.

Mit der Zeit häuften sich die Projekte und Brody Bookings schrieb nicht nur schwarze Zahlen, sondern wurde zu einer erfolgreichen „Gemischtwaren-Agentur“. Gemischtwaren deshalb, weil sich in der Kartei Casting-People, professionelle Models und Schauspieler wieder finden. Inzwischen hat Brody jede Sparte, von Familienvater bis Teenie-Mädchen, mehrfach besetzt. Hierbei ist ein Großteil der Kartei jedoch voll berufstätig und das Modeln passiert so nebenbei.

Diejenigen, die viel beschäftigt sind und deshalb nur drei Jobs im Jahr machen sind mir in der Kartei genau so lieb wie die, die immer Zeit haben und die große Karriere machen wollen. Das ist das Hauptunterscheidungsmerkmal zu einer professionellen Modelagentur, bei der keines der Models einen anderen Job hat und deshalb Tag für Tag in der Agentur rumsitzt und auf den nächsten Auftrag wartet

Brody Bookings in eine solche Modelagentur zu verwandeln stand nie zur Debatte. Dafür hätte unser 0711er dem Kessel den Rücken kehren und nach Hamburg, München oder Berlin umsiedeln müssen, wo die deutschen Verlagshäuser oder Modemacher zu Hause sind. Das Schwabenland zu verlassen hätte Brody nicht übers Herz gebracht. Auch weil die Agentur mit zunehmender Größe immer mehr an persönlichem, familiärem Flair hätte einbüßen müssen.

Menschlichkeit, Fairness im Umgang und Respekt sind mir sehr sehr wichtig. Das erwarte ich auch von meinen Mitarbeitern. Ich möchte einfach, dass faire Deals zwischen den Interessen des Kunden und den Interessen des Darstellers abgewickelt werden.

Die größte Freude an seiner Arbeit hat Brody dann, wenn er einen Job vermitteln kann, der dem Darsteller eine spannende Reise zu traumhaften Kulissen verspricht. Diese Freude treibt unseren 0711er seit 20 Jahren an. Neben seiner Gatekeeper-Funktion hält Brody es für eine wichtige Aufgabe dafür zu sorgen, dass die Darsteller auf dem Boden bleiben.

Ich möchte keinem Mädel beibringen, dass sie das gute Aussehen und die Modeljobs in Paris oder Mailand zu einem begehrten Wesen machen. Ich halte immer wieder hoch, wie wertvoll es ist, zwischenmenschliche Erfahrungen zu sammeln und Freunde zu haben.

Genau dass, lieber Brody macht dich so sympathisch. Wir sind gespannt, wohin du deine bodenständigen Talente noch schicken wirst und freuen uns auf die nächsten 20 Jahre!

 

NAME Markus Brodbeck – ALTER… 52

HERKUNFT… Esslingen – STADTTEIL… Mitte

 

WAS ICH SO MACH’ …arbeiten, sport, kochen, essen, schlafen

MEIN LIEBLINGSORT IN STUTTGART IST … Freibad Killesberg, alleine im Becken

GLÜCKLICH MACHEN KANN MAN MICH MIT … gutem Essen und Wein

MEIN PERFEKTES WOCHENENDE VERBRINGE ICH MIT … im Wasser oder auf dem Berg

ICH KANN NICHT OHNE … Vespa

DAS SOLLTE MAN GESEHEN HABEN … die ganze Welt

DAS MACHE ICH, WENN KEINER ZUSCHAUT …  was jetzt, kuckt schon wieder keiner

ICH WÜRDE NIEMALS … ich sag nicht nie

ICH LIEBE AN STUTTGART … die Lage / im Kessel

ICH HASSE AN STUTTGART … die Lage / kein Meer

WENN NICHT STUTTGART, DANN … San Sebastian

DAS HABE ICH IMMER IM GEPÄCK … Surfboard

WENN ICH MORGENS AUFSTEHE, MACH ICH DAS IMMER ZUERST … den Deckel von der Zahnpasta ab

SO KRIEGT MAN MICH RUM … muss man nicht, bin überall dabei

WENN ICH DIE FREIE WAHL HÄTTE, WÜRDE ICH HEUTE ABENDESSEN MIT … Kirsten

UND ZWAR WO? … Auf meiner Terasse

STUTTGART, ICH WOLLTE DIR SCHON IMMER EINMAL SAGEN … Ich mag dich

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