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In der Serie „0711er der Woche“ stellen wir euch jeden Montag einen Stuttgarter vor, den man unter Umständen kennt – und doch nicht so recht kennt. Leute, die unsere Stadt durch ihr Schaffen auf verschiedenste Art bereichern, aber oftmals doch im Hintergrund bleiben. Menschen wie du und ich, die ihren Teil dazu beitragen, dass Stuttgart das ist, was es ist: unsere Stadt, die Mutterstadt. Nachdem wir mit dem jeweiligen 0711er etwas Zeit verbringen, verewigen sie sich in unserem 0711er Buch.


Durch das Leben von Robin Hofmann zieht sich die Musik zweifelsohne wie ein roter Faden: Aus einer anfänglichen Leidenschaft wurde schnell eine Profession als DJ, das eigene Label „Pulver Records“ und schließlich die Gründung der Agentur „HearDis!“. Mit dieser entwickelt unser 0711er die Sound-Identitäten von Marken. Auf Stippvisite in seinem stylischen Büro haben wir spannende Einblicke in das Leben des Wahlstuttgarters bekommen.

Ein Text von Maren mit Fotos von Saeed

Robin ist ein „Macher“ par excellence. So strebt er ständig danach sich weiterzuentwickeln und setzt sich stets hohe Ziele. Nachdem er als 14-Jähriger unbedingt DJ werden wollte, damit ihn die Mädels anhimmeln, war die nachfolgende Bestrebung, mal im Big Apple aufzulegen. „Dann legst du in New York auf, und denkst: ,Jetzt wär‘s toll, mal vor ganz vielen Menschen aufzulegen.‘“ Und so sei in seinem Leben immer eins zum anderen gekommen. „Das entwickelt sich so intuitiv, sodass ich dann auf einmal da bin und denke: ,Ups, jetzt hab‘ ich das ja tatsächlich hingekriegt.‘“

So war es auch mit seinem neuesten Clou: Im Rahmen eines EU-Förderprogramms entwickelt Robin mit seinem Team einen Algorithmus zur Klassifizierung von Musik. Ziel ist es, mithilfe von Musik die ideale Atmosphäre für Shoppingerlebnisse zu kreieren. Unter Berücksichtigung der verschiedensten Faktoren, wie z.B. dem Wetter, sollen am „Point of Sale“ Playlisten in Echtzeit erstellt werden. „Wir geben nur vor, in welchem Spektrum man sich musikalisch bewegen darf. Das sind zig Werte pro Lied: Gesang, Sprache, Instrumentierungen – alle möglichen Eigenschaften, die so ein Lied haben kann, definieren wir vor“, führt Robin aus.

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Wie es zu all dem kam? Dazu müssen wir ein paar Schritte zurückgehen und zwar gen Osten. Denn aufgewachsen ist der Wahlstuttgarter in Dresden. Als Kind der 70er habe er zur Generation gehört, die die Wende live miterlebt haben und gleichzeitig schon die Vorzüge der Wiedervereinigung genießen konnten. „Ich bin mit Tonbandmaschine und Tape-Deck aufgewachsen. Das heißt, ich hab‘ Musik aus dem Radio aufgenommen und meine eigenen Tapes zusammengestellt.“ Die habe man dann getauscht, weil es sehr mühsam war, an Musik zu kommen, erzählt er. Neben der Musik hatte er auch eine Affinität für Comics. So habe er in jungen Jahren für die Schülerzeitung bereits Comicstrips gezeichnet. Vor allem war der halbwüchsige Robin aber ein großer Hip-Hop-Fan.

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Als es schließlich darum ging, wohin die Reise nach dem Abi führen solle, war erst mal klar: Hauptsache weg von zu Hause. Als Hip-Hop-Hochburg und in akzeptabler Nähe zu zahlreichen Wintersportgebieten (Snowboarden war ein weiteres wichtiges Thema), stand die Mutterstadt ganz hoch im Kurs: „Stuttgart war, das muss man sagen, Mitte der 90er echt ein Hotspot“, erinnert sich der 40-Jährige. Außerdem wollte er unbedingt „was mit Gestaltung“ studieren, fährt unser 0711er fort. Damals kam das Thema Multimedia gerade erst auf und da sei die Merz Akademie in Stuttgart deutschlandweit eine der führenden Schulen gewesen.

Und dann war klar: Ok, ich muss nach Stuttgart.

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Also ging’s für den Zivi in die Mutterstadt. Er habe dann in einer WG zusammen mit zehn anderen Jungs gewohnt, von denen jeder für sich aus einer komplett anderen Subkultur kam. „Das heißt, ich war 18 Monate lang jeden Abend weg, immer mit anderen. Das ging dann wirklich vom versifften Punk-Club bis in den Kings Club – ich hab‘ das alles miterlebt.“ Da einer seiner Mitbewohner im damaligen M1 an der Bar gearbeitet hat, habe er automatisch alle DJs dort kennen gelernt, die Tapes bekommen und House-Musik für sich entdeckt. Unter anderem durch die Jams im Jugendhaus Mitte habe er gleichzeitig aber auch viel im Hip-Hop-Bereich mitbekommen.

In eineinhalb Jahren habe ich im Schnelldurchlauf all das nachgeholt, was mir vorher gefehlt hat. 

Der Tatsache geschuldet, dass Stuttgart so ein „Dorf“ sei, wie es unser 0711er ausdrückt, kannte er nach kürzester Zeit schon wahnsinnig viele Leute. So war er bereits zwei Jahre, nachdem er überhaupt nach Stuttgart kam, mit den Fantas auf Tour und mit Thomas D snowboarden. „Das ist das Schöne an Stuttgart: Wenn man mal den Zugang gefunden hat, dann geht’s eigentlich recht schnell und man wird so ,durchgereicht‘.“ Und so sei er in der Mutterstadt schließlich „hängen geblieben“.

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Als Praktikant bei der Agentur „Disco Döner“ habe er anschließend innerhalb von einem Jahr das Handwerk des Grafikdesigns erlernt. Da diese wiederum Flyer für diverse Stuttgarter Bars und Clubs gestaltete, sei er als Resident DJ in der Radio Bar angeheuert worden. „In der Zeit habe ich fünf Mal die Woche aufgelegt“, berichtet Robin. Schließlich habe er sich an der Merz Akademie beworben und angefangen Kommunikationsdesign zu studieren. Fun Fact: „Meine Bewerbungs-Mappe war eine Tasche mit Plattencovern von fiktiven Bands und fiktiven Labels.“ Seinem Diplom lag praktisch die gleiche Idee zugrunde. Nur mit dem feinen Unterschied, dass es sich diesmal um echte Plattencover handelte, aber dazu gleich mehr.

Als DJ war’s für mich immer cool, wenn die Leute zu Sachen getanzt haben, die sie noch nie gehört haben. 

Neben dem Studium habe er in verschiedenen Werbeagenturen gearbeitet und sich schnell selbstständig gemacht. Eines seiner Projekte war beispielsweise die erste Website von Freundeskreis. Auch musikalisch ging’s weiter bergauf. Zusammen mit drei Freunden hat er 1999 das Musikproduzenten Team „Dublex Inc.“ ins Leben gerufen. Da sich niemand fand, der ihr erstes Lied rausbringen wollte, dachten sie sich kurzerhand: Kein Problem, machen wir eben auch noch unser eigenes Label. Die erste Platte, die auf „Pulver Records“ erschien, war dann direkt „voll der Hit“, so der Sound-Ästhet. Mit weiteren Veröffentlichungen, Musikproduktionen und Auftritten als DJ folgten internationale Erfolge. „Ich hab‘ studiert, nebenher das Label gemacht und viel aufgelegt, weil das erste Lied so ein Erfolg war. Also bin ich auch recht viel um die Welt gekommen – das war ziemlich anstrengend.“

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Mit dem Label habe er irgendwann angefangen, Musik für Marken zu lizensieren. „Und dann dachte ich: ,Ich muss das trennen. Ich kann nicht street credibility haben und gleichzeitig für Großkonzerne arbeiten.‘“ Zur gleichen Zeit wollte sich sein Kumpel Felix Haaksman mit dem Thema „Corporate Sound“ selbstständig machen. Und so gründeten die beiden 2005 die Agentur „HearDis!“. Seither beschäftigen sie sich tagtäglich mit der Frage: „Wie klingt eine Marke?.“ Genauso, wie eine Marke einen visuellen Wiedererkennungswert hat, sei ihr Ziel, dass man diesen Effekt auch im akustischen Bereich erzielt.

Irgendwann wurden ihm das Label und das Auflegen überdrüssig, also habe er sich dazu entschieden, das Ganze „einschlafen zu lassen“. „Ich konnte das Gefühl nicht mehr verkraften, dass ich das machen muss, weil ich meine Miete davon bezahlen muss. Also wollte ich das wieder zurück zu ‘nem Hobby zu führen und mir etwas aufbauen, wo ich im Hintergrund agieren kann. Etwas, was vielleicht sogar ohne mich läuft“, erklärt er.

Für mich war irgendwann klar, dass ich kein ,Alter-Opa-DJ‘ werden will, der dann vor Leuten auflegt, die seine Kinder sein könnten.

Nach 16 Jahren Selbstständigkeit stand ihm vor rund drei Jahren der Sinn vor allem nach einem: Einer Auszeit. Also widmete er sich als Nationalparkwächter in der Sächsischen Schweiz ein Jahr lang ganz der Natur und sich selbst. „Du siehst den ganzen Tag keinen Menschen, bist nur mit dir alleine – das ist irgendwann auch saulangweilig“, schildert er. In dieser Zeit habe er die Theorie von einer kreativen Langeweile entwickelt, die uns abhanden gekommen sei. „Früher hat man an der Bushaltestelle gewartet und sich gelangweilt. Dann hat man überlegt und es kamen einem coole Ideen. Das hat man heute nur noch unter der Dusche, weil man da kein Handy benutzen kann“, führt er aus. Diese Ablenkung tötet seiner Meinung nach in gewisser Weise unsere Kreativität. Seine Auszeit sei folglich wichtig gewesen, um neue Inspiration zu schöpfen. So kam schließlich auch das erwähnte Forschungs-Projekt zustande.

Ich glaube man muss einfach ab und zu mal reflektieren und sein Leben versuchen aus ‘ner anderen Perspektive zu sehen.

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„Ich glaube für mich ist eine innere Zufriedenheit wichtig und das Gefühl, dass ich mich weiter entwickle “, antwortet er auf die Frage nach seinen Zukunftsplänen. Zunächst mal wird Robin aber Papa. Er fände es natürlich toll, ein guter Familienvater zu werden und dieselbe Geduld und Leidenschaft dafür aufzubringen, die er in sein Hobby aka Beruf stecke. „Aber ich glaube das kann ich.“

Und wir glauben das allemal, lieber Robin! Wir hoffen, dass du die Mutterstadt noch ganz lange mit deinem unerschöpflichen Ideenreichtum bereicherst und sind gespannt, was du noch so alles auf die Beine stellst.

 

NAME… Robin Hofmann – ALTER… 40

HERKUNFT… DDR – STADTTEIL… Bohnenviertel

 

WAS ICH SO MACH‘… Mich mit Musik in allen Facetten beschäftigen, Ideen und Konzepte entwickeln, andere davon überzeugen. 

MEIN LIEBLINGSORT IN STUTTGART IST… Kommt auf meine Stimmung an, auf jeden Fall:

Shoppen: Wochenmarkt auf dem Marktplatz

Essen: Weinstube Kiste

Entspannen: Stückle am Schimmelhüttenweg

Klettern: Cannstatter Pfeiler

GLÜCKLICH MACHEN KANN MAN MICH MIT… Diversen Aktivitäten in der Natur, zusammen mit Menschen die mir wichtig sind.

 MEIN PERFEKTES WOCHENENDE VERBRINGE ICH MIT… Einem Frühstück im Bohnenviertel, danach einem Einkauf auf dem Markt, mit dem Rad ins Bad Berg (RIP), lesen, quatschen, Mittagessen und später eine gepflegte Bowle. Auf dem Weg zurück noch etwas kulturellen Input und eine Runde Yoga mit Farzad, danach 1&1 in der Weinstube Kiste und einen Drink im Paul & George. Das alles mit Freundin und Freunden.

ICH KANN NICHT OHNE… Regelmäßigen Auslauf.

DAS SOLLTE MAN GESEHEN HABEN… Die Sächsische Schweiz, liegt im Osten (DDR)

DAS MACHE ICH WENN KEINER ZUSCHAUT… In der heißen Badewanne ein kaltes Bier trinken.

ICH WÜRDE NIEMALS… Nie sagen.

ICH LIEBE AN STUTTGART… Dass es oft ein Dorf ist.

ICH HASSE AN STUTTGART… Dass es oft ein Dorf ist.

WENN NICHT STGT DANN… Mit weniger PEGIDA ist Dresden sehr schön, wahrscheinlicher ist aber ein ruhiger Ort im Grünen, mit viel Platz und wenig Feinstaub.

DAS HABE ICH IMMER IM GEPÄCK… Optimismus, Geschichten, meinen Leatherman 😉

WENN ICH MORGENS AUFSTEHE, MACH ICH DAS IMMER ZUERST… Versuchen wach zu werden.

SO KRIEGT MAN MICH RUM… Müsst Ihr meine Freundin fragen, die hat es geschafft.

WENN ICH DIE FREIE WAHL HÄTTE, WÜRDE ICH HEUTE ABENDESSEN MIT … Meinem Opa (Tot), meinem Sohn (bald auf der Welt) und weiteren sympathischen Menschen.

UND ZWAR WO?… Grillen auf’m Stückle

STUTTGART, ICH WOLLTE DIR SCHON IMMER EINMAL SAGEN… Mach dich bissle locker!

Maren Wiesner
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