In der Serie „0711er“ stellen wir euch Stuttgarter vor, die man unter Umständen kennt – und doch nicht so recht kennt. Leute, die unsere Stadt durch ihr Schaffen bereichern, aber oftmals doch im Hintergrund bleiben. Menschen wie du und ich, die ihren Teil dazu beitragen, dass Stuttgart das ist, was es ist: unsere Stadt, die Mutterstadt.
Mit der Rampe geben die Intendantinnen Marie Bues und Martina Grohmann dem zeitgenössischen Autorentheater im Duo eine Plattform. Für unser „Doppelpack“ haben wir hinter den Vorhang des Theaters gespickt, das gleichzeitig als Schlafplatz für die „Zacke“ fungiert. In Teil 1 heißt es „Bühne frei“ für die fabelhafte Marie! Im Interview verriet uns die Wahlstuttgarterin, dass es zunächst ein paar Berufswechsel brauchte, bis sie ihrer Berufung schlussendlich auf die Spur kam.
Ein Text von Maren mit Fotos von Felix
Mit experimentellen Formaten erobert die Rampe das Publikum Spielzeit für Spielzeit aufs Neue: Per Wolfsgeheul – oder genauer gesagt, der Tanzperformance „Wolfgang“ von backsteinhaus produktion ist die Rampe vor Kurzem in die neue Saison gestartet. Die nächste Koproduktionspremiere in Bern mit dem verheißungsvollen Titel „Edward Snowden steht hinterm Fenster und weckt Birnen ein“ steht auch schon vor der Tür. Keine Chance für Langeweile also!
Auf Marie übte die Theaterwelt schon seit eh und je eine gewisse Anziehungskraft aus. Weil ihre beste Freundin sie mitschleppte, kam die ursprünglich aus Aschaffenburg bzw. Hanau stammende als 13-Jährige zum Theater. Schnell leckte sie Blut und wollte fortan Schauspielerin werden. Nach dem Abi ereilte sie dann ein kurzer Anflug von Unsicherheit und sie überlegte auf Filmregie bzw. Literaturwissenschaften umzuschwenken. Es wurde dann aber doch die Schauspielschule, erzählt Marie. Ihr Studium an der Staatlichen Hochschule für Musik und Darstellende Kunst verschlug sie 2000 schließlich in den Kessel.
Nebenher habe sie bereits begonnen, Regieassistenzen am Wilhelma Theater wahrzunehmen. Anschließend verfolgte sie den Schauspielweg weiter und wurde an der Württembergischen Landesbühne Esslingen engagiert, wo sie ihre erste Inszenierung umsetzte. Zwischenzeitlich habe sie so einige Berufswechsel durchlaufen, berichtet Marie. Mit einer Konstante: Sie ist dem Theater immer treu geblieben. „Das ist schön, weil man sich immer wieder neu reinfinden muss und sich das Tätigkeitsfeld erweitert und verändert“, führt die 37-Jährige aus. Die Chance, ihre ersten beiden größeren Inszenierungen zu realisieren, bekam sie am Theater Basel, wo sie von 2006 bis 2008 als Regieassistentin arbeitete.
Als freie Regisseurin inszenierte sie in den nächsten Jahren an einigen kleineren und größeren Stadttheatern im ganzen deutschsprachigen Bereich. „Ich bin nach Berlin gezogen und habe dort die freie Szene entdeckt, etwas am Ballhaus Ost gemacht und eine freie Gruppe in Wien gegründet.“ Irgendwann kam ihr zu Ohren, dass das Theater Rampe eine neue Intendanz sucht. So kam sie 2013 nicht nur zurück nach Stuttgart, sondern auch an das Theater Rampe, wo sie während des Studiums schon assistiert hatte. Seite an Seite mit Martina Grohmann, die sie mit ins Boot holte, leitet Marie seither das Stuttgarter Produktions- und Koproduktionshaus sowie seit 2015 das Festival „6 TAGE FREI“, den Tanz-und Theaterpreis der Stadt Stuttgart und des Landes Baden Württemberg.
Es habe eine Weile gebraucht, bis sie ihren Weg gefunden habe, verrät uns Marie. Dabei gab es viele Leute, die sie beeinflussten und wichtige Orientierungspunkte waren. Da müsse beispielsweise ihr Dramaturgieprofessor genannt werden, der im ersten Jahr an der Schauspielschule schon vorhersagte: „Frau Bues, ich glaube Sie sind Regisseurin“, berichtet Marie. „Es sind ja nicht nur die Leute wichtig, die einem ganz konkret einen nächsten Schritt ermöglicht haben, sondern auch Freunde und Freundinnen, die einen begleiten“, fährt sie fort. Diese würden sie übrigens als eine Mischung aus humorvoll, bösartig, sensibel und loyal beschreiben, plaudert sie aus dem Nähkästchen.
Was die Rampe in der Stuttgarter Theaterwelt auszeichnet? „Wir machen einen Mix aus modernem Autorentheater, performativen Theaterformen, partizipativem Experiment und verstehen uns nicht als Kulturtempel, sondern als sozialen Ort, der Themen setzt und Gegebenes hinterfragt.“ Im besten Sinne also als eine Art „Stadt-Theater“. Das will heißen: Ein Theater, das auf die Stadtgesellschaft zugeht, ihre Inhalte aufnimmt und reflektiert, aber auch einlädt mitzugestalten, so Marie. Die Stücke für den Spielplan wählen sie nach inhaltlicher Relevanz, politischem und sozialem Anspruch sowie künstlerischer Qualität aus, erklärt sie.
Ihr absolutes Highlight während ihrer Zeit an der Rampe? „Schwer zu sagen, ich mochte diese ersten vier Jahr insgesamt wahnsinnig gern‘ und hatte das Gefühl, nirgendwo vorher so intensiv und frei künstlerisch arbeiten zu können“, schwärmt die Stuttgarter Intendantin. Dabei haben es ihr besonders die Zusammenarbeiten mit den vielen spannenden Leuten angetan, die sie in für die Rampe gewinnen konnten. „Wenn ich eines der vielen Highlights nennen sollte, war zum Beispiel ,Paradies fluten’ von Thomas Köck in der Zusammenarbeit mit Nicki Listza etwas ganz Besonderes“, rückt sie schließlich raus.
Ob da überhaupt noch Zeit für ein Leben außerhalb des Theaters bleibt?, haken wir nach. Die Arbeit als Intendantin sei sehr weitläufig, da sie auch noch als freie Regisseurin arbeite, so Marie. Das nehme nicht nur viel Zeit in Anspruch, sondern inkludiere in dem Bereich schon alles, was man an Hobbys haben kann: Kunst, Musik, Lesen, Stücke anschauen, Reisen, etc. Darüber hinaus sei sie noch als Jurymitglied tätig und unterrichte an der Schauspielschule. Ihr Privatleben sei ihr deshalb besonders wertvoll, offenbart Marie. Und sie fährt fort: „Ich würde gerne mal ein liebes langes Jahr nur reisen.“
Ein Bild von der Arbeit der beiden Intendantinnen kann man sich übrigens bei dem anstehenden TECHNE-Festival machen, das vom 8. bis 19. November sowohl an der Rampe als auch im Künstlerhaus stattfindet. Etwas später im Dezember wird Maries Arbeit für’s Nationaltheater Mannheim gezeigt, wo sie Thomas Köcks neues Stück „Paradies spielen“ inszeniert.
Es war uns ein Fest, liebe Marie! Wir sind gespannt, wohin dich dein Weg noch führt und hoffen insgeheim, dass du deiner Wahlheimat und damit auch der Stuttgarter Theaterszene noch eine ganze Weile treu bleibst.
THEATER RAMPE @ WEBSITE
THEATER RAMPE @ FACEBOOK
NAME … Marie Bues – ALTER … 37
HERKUNFT … Aschaffenburg / Hanau – STADTTEIL … Heusteigviertel
WAS ICH SO MACH’ … Regisseurin und Co- Leiterin der Rampe
MEIN LIEBLINGSORT IN STUTTGART IST … meine Wohnung und der Hinterhof der Rampe
GLÜCKLICH MACHEN KANN MAN MICH MIT … Vielem: einer guten Probe, einem freien Tag, einer guten Projektidee, einem genehmigten Antrag für ein Rampe Projekt, etc..
MEIN PERFEKTES WOCHENENDE VERBRINGE ICH MIT … Lara Joy Hamann
ICH KANN NICHT OHNE … Inszenieren
DAS SOLLTE MAN GESEHEN HABEN … Mulholland Drive von David Lynch zum Beispiel
DAS MACHE ICH, WENN KEINER ZUSCHAUT … Mal nichts
ICH WÜRDE NIEMALS … AFD wählen
ICH LIEBE AN STUTTGART … die vielen Menschen die sich in Initiativen engagieren, den Ideenreichtum, die Kulturvielfalt
ICH HASSE AN STUTTGART … Zeiten in denen Wasen ist, Konsumterror Innenstadt
WENN NICHT STUTTGART, DANN … Berlin
DAS HABE ICH IMMER IM GEPÄCK … Notizbuch, Portmonnaie und ein paar Rampe Flyer
WENN ICH MORGENS AUFSTEHE, MACH’ ICH DAS IMMER ZUERST … einen Tee
SO KRIEGT MAN MICH RUM … kommt drauf an
WENN ICH DIE FREIE WAHL HÄTTE, WÜRDE ICH HEUTE ABENDESSEN MIT … allen Freunden, die leider so verteilt sind und so selten mal alle zusammenkommen
UND ZWAR WO? … das ist relativ egal
WELCHEN STUTTGARTER WÜRDEST DU GERNE MAL KENNENLERNEN? …Wolfgang Pohrt
STUTTGART, ICH WOLLTE DIR SCHON IMMER EINMAL SAGEN … danke für alles.