Evidence

Das war wahrlich „long awaited“: ein Lebenszeichen der Westcoast-Legenden von Dilated Peoples. Der kalifornische Rapper Evidence hat seine neue LP veröffentlicht. Nach Cats & Dogs (2011) releaste der „Weatherman“ nun die nächsten Platte mit Wetter-Bezug im Titel: Weather Or Not heißt sie.

Interview von Marcel Schlegel und Susanne Exner


Sieben Jahre liegen zwischen deinem letzten Release und dem aktuellen. Worin unterscheidet sich Weather Or Not von Cats & Dogs?

EV: „Weather Or Not ist ein Album, das dem Grundsatz folgt: Mach’s richtig oder mach’s gar nicht – ich wollte von Anfang an Records schreiben, die ich ohne Probleme ein Jahr durchweg performen kann.”

ZUR ENGLISCHEN ORIGINAL-VERSION

Bist du bei deinem neuen Album anders vorgegangen als zuvor?

EV: „Das Album basiert auf dem gleichen Fundament wie meine andere drei Soloalben. Aber die Architektur, die über dem Fundament steht, ist ein bisschen moderner, schätze ich. Dennoch: Ich habe wieder mit Eddie Sancho als Sound-Engineer zusammengearbeitet und viele mir familiäre Gesichter auf den Beats vereint. Diesmal holte ich mir aber auch einige wenige Producer ins Boot, mit denen ich zuvor noch nie gearbeitet hatte: Nottz, Budgie, SamIYam.“

Ein Album zu machen, ist etwas sehr Persönliches. Wenn andere Rapper darauf mitwirken, übergibt man sein Baby in gewisser Weise in die Obhut anderer. Slug, Jonwayne, Rapsody, Styles P, DJ Premier, natürlich Rakaa und weitere sind auf Weather Or Not vertreten. Wie wählst du deine Gast-MCs aus?

EV: „Bei diesem Album habe ich die bewusste Entscheidung getroffen, nur mit Leuten zusammen zu arbeiten, mit denen ich in direktem Kontakt stehe. Die Mehrheit derjenigen Künstler, die auf meinem Album auftauchen, hat ihre Vocals bei mir zu Hause aufgenommen. Wenn die Vocals stattdessen in einem anderen Studio eingespielt wurden, sind die Künstler im Vorfeld zumindest bei mir daheim zusammen abgehangen und wir haben überlegt, wie der Track aussehen könnte. Der Großteil der Musik wurde jedoch mit demselben Mic und denselben Mikrofon-Einstellungen aufgenommen. Ich hoffe, man hört die klangliche Konsistenz – diese ist nämlich beabsichtigt.“

Wie entscheidest du, welcher MC zu welchem Beat rappen soll?

EV: „Das weiß ich anfangs meistens nicht genau. Sehr oft ist die Aufteilung zum Schluss auch eine andere als ich sie mir zunächst vorgestellt hatte. Dies zu bestimmen und abzuwägen jedoch, ist ein schöner Prozess – und ein Album zu machen, bedeutet eine Reise durch viele Gedankenspiele zu machen, die uns am Ende an einen Punkt führt, an dem uns plötzlich klar wird, was wir unbedingt behalten müssen und was für die Tonne ist – eine Reise, die ich sehr mag.”

Sidewalk Market

Entscheiden die Features bei der Wahl der Instrumentals auch selbst mit?

EV: „Ich zeige den MCs das Konzept – und der Beat ist Teil des Konzepts. Ganz selten spiele ich ihnen ein paar Beats vor. Ich stelle den Gästen stattdessen lieber eine Idee vor oder die Richtung, in die ich gerne gehen möchte. Dann überlasse ich es ihnen, meine Idee weiterentwickeln und hoffe, dass sie daraus etwas noch Besseres machen.

Zu den Texten: Nimmst du darauf Einfluss oder vertraust du den MCs blind?

EV: „Wir unterhalten uns, arbeiten das Konzept gemeinsam aus. Aber klar: Ich forme das Album so gut es geht, so dass alles in eine Richtung geht – selbst wenn diese Richtung lediglich bedeutet, über das Rappen selbst zu rappen, sprechen wir uns zumindest ab und wissen dann, ob wir streng dem Konzept folgen sollten oder besser jeder sein Ding daraus macht – und andersherum.”

Defari, der immer auch zum Dilated-Kosmos gehörte, hat ebenfalls eine Platte veröffentlicht. Auf diese mussten die Fans über elf Jahre warten und manche hatten den Glauben an ein Lebenszeichen schon fast verloren. Du hast Rare Poise (2017) produziert. Wie sehr hat es dich selbst gefreut, als Künstler wie als Fan, dass Defari Herut zurück ist?

EV:Defari nahm sich eine Auszeit, weil er sich auf seine Rolle als Vater konzentriert wollte. Außerdem hat er einen gut bezahlten Job. Er war nie wirklich weg, er hat sich einfach um andere Dinge gekümmert. Immer, wenn er in der Booth steht, ist es eine Riesenfreude für mich, ihm zu zu hören. Er war schon immer ein guter Tänzer und so wirkten auch seine Vocals auf mich: Sie klangen funky und hatten den perfekten Rhythmus.“

Evidence, der Rapper, wurde auf Rare Poise zum reinen Producer. In welcher Rolle gefällst du Dir besser?

EV: „Ich mag beide. Ich will als ‘double threat’ wahrgenommen werden – mit meinen Raps, den Beats, und wer weiß, womit noch.”

Evidence von den Dilated Peoples

Du kennst Rakaa seit 1992, drei Jahre später gründeten ihr mit DJ Babu die Dilated Peoples. 2000 folgte die erste Veröffentlichung. Evidence und „Dilated“ sind für viele nur als Einheit zu denken. Worin unterscheidet sich ein EV-Album von einem DP-Album?

EV: „Es geht mehr um mich als Person. Ich muss mich logischerweise nicht mit Rakaa auf ein Konzept einigen, mit dem wir beide cool sind. Ich muss mich also mit niemandem abstimmen, sondern kann sagen und tun, was ich für richtig halte. Und ich bin dann eben auch zu 100 Prozent dafür selbst verantwortlich.”

Inwieweit sind Babu und Rakaa in deine Soloprojekte dennoch involviert?

EV: „Sie kommen regelmäßig vorbei und sichern mir ihre Hilfe zu – egal, ob es nur um eine Kleinigkeit oder etwas Größeres ansteht. Bei vielen Soloprojekten hat Rakaa für mich die Hooklines geschrieben oder war auf einigen Tracks bekanntlich auch selbst vertreten. Babu war und ist für einen großen Teil meiner Beats und Cuts verantwortlich. Ich würde also sagen: Ein Soloalbum ist einfach meine Version eines Dilated-Albums. Ich kann immer auf die volle Unterstützung meiner Crew bauen.”

In Europa hast du und haben die Dilated Peoples eine große Fanbase. Wie wichtig war Europa, war Deutschland für eure Karrieren?

EV: „Ich würde sagen: sehr wichtig. Rakaa war es immer sehr wichtig, Shows in Europa zu spielen.

Er sagte, wenn sich Amerika irgendwann einmal nicht mehr um uns schert, die Leute in Europa werden es noch immer tun.

Und zu einem gewissen Grad hat er sicher Recht behalten. Auf Deutschland und viele Länder, die noch weiter östlich liegen, konnten wir immer zählen.”

Wie erlebst du – bei denen Touren außerhalb der Staaten – die Hip-Hop-Community in Europa im Vergleich zu jener in den USA?

EV: „Ich bin mir nicht sicher, ob es jenseits der Sprachbarriere noch weitere Unterschiede gibt. Lässt man kulturelle Unterschiede und solche, die den Lifestyle betreffen, außen vor, bleibt am Ende doch eine Sache bestehen, die beiden Sphären kennzeichnet: Da ist ein Haufen von Leuten, die bei Konzerten die Musik genießen wollen, die sie mögen.“

Du bist seit gut 25 Jahren im Business. Macht es Dir noch immer Spaß?

EV: „Es ist letztlich, was ich liebe, sonst würde ich etwas anderes machen. Ich kann davon meine Familie ernähren, die Musik fördert mich auch geistig und hält mich kreativ. So lange dies so bleibt – ja, so lange macht mich mich die Musik glücklich.“

Was ist das Beste am Leben als Musiker?

EV: „Das Beste daran: Das Musikmachen hält einen jung.“

Ein kleines Frage-Antwort-Spiel: Beschreibe jeden Track auf dem Album mit einem Wort, bitte (Antworten nicht übersetzt, d. Red.)!

  • The Factory – Industrial
  • Throw it all away – Introspective
  • Powder Cocaine – Grateful
  • Jim Dean – Gigantic
  • Weather Or Not – Powerful
  • Moving too fast – Beautiful
  • Runners – Synchronized
  • Bad Publicity – Ugly
  • Rain Drops – Innovative
  • Sell me this pen – Mean
  • Love is a funny thing – Smart
  • 10,000 hours – Confident
  • What I Need – Honest
  • To Make A Long Story Longer – Dusty
  • Wonderful World – Sonic
  • By My Side too – Deep

Zum Schluss: Dein Lieblingstrack auf dem Album?

EV: „Ihr müsst entscheiden, welches Lied euch am besten ,schmeckt’  – ich bin nur der Koch.“

Marcel Schlegel
Author

Schreibt viel und immer mit zwei Fingern. Mal über dies, mal mehr über das. Stärke: die Kommasetzung. Punkt. Ein Werdegang in Linkform – hier: http://bit.ly/2ajtdCU

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