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Hulk Hodn hat gemeinsam mit dem Rapper Retrogott den deutschen Rap verändert. Als „Huss & Hodn“ bekannt geworden, geht das Duo in seiner über zehnjährigen Bandgeschichte längst vielschichtige Wege – ganz nach Eißfeldts (Jan Delay von den Beginnern) Motto: „Wer Hip-Hop macht, aber nur Hip-Hop hört, betreibt Inzest.“ Als „Hodini“ macht der Kölner Producer nunmehr elektronischen Sound. Mit dem DJ-Trio „Radio Love Love“ widmet er sich guter Musik. Guter Musik von Platte.

Ein Text von Marcel mit Fotos von Robert Winter


Hulk Hodn dürfte den Hip-Hop-Fans der Republik ein Begriff sein. 2005 brachte der Kölner mit dem Rapper Retrogott die erste Scheibe heraus, die noch ein bisschen klang, wie sie hieß: „Unprofessionelle Musik“. Der Durchbruch gelang „Huss & Hodn“ 2007 mit „Jetzt schämst du dich“. Retrogott & Hulk Hodn, wie sie sich bei der fünften und bis dato letzten LP des Duos, der „Fresh und unbenannt“ (2013), nannten, veränderten Deutsch-Rap in nun über einem Jahrzehnt ein Stück weit. Die beiden Kölner brachten dem deutschen Sprechgesang einen Oldschool-Flavour zurück, den bis dahin viele vermisst hatten. Und sie brachten die Domstadt zurück auf die Landkarte. Im Dunstkreis des Retrogotts und des „Hulks“ gelangten in den folgenden Jahren mehr und mehr Producer und MCs aus Köln in den bundesdeutschen Cypher. Ein Twit One, muss an dieser Stelle genannt werden, der für diesen Text noch interessant werden soll.

 

INTERVIEW w/RETROGOTT

HULKHODN @ FACEBOOK

RADIOLOVELOVE @ FACEBOOK

RADIOLOVELOVE @ PODCAST

 

In der Folge erweiterten die beiden ihr Spektrum, machten viele Solo-Sachen und auch Musik mit anderen MCs oder Produzenten. Hodn ist seit einiger Zeit zudem als „Hodini“ unterwegs – unter diesem Pseudonym widmet sich der Beatmacher vornehmlich elektronischen Klängen. Anfang Oktober erschien zudem die Kollabo mit dem Wiesbadener Rapper Eloquent, in der die beiden „Mit Kanonen auf Spatzen schießen“.

Das alles sind Veröffentlichungen, die Hulk Hodn öffentlichkeitswirksam in Szene setzen. Weniger Hip-Hop-Fans (oder womöglich nur die echten Heads) haben wohl sein Projekt „Radio Love Love“ auf dem Schirm, eine Herzensangelegenheit, könnte man sagen. Mit dem ersten Podcast schlug 2009 die Geburtsstunde von RLL. Sie hätten damals schlichtweg Lust gehabt, ihre Lieblingsmusik mit den Menschen da draußen zu teilen, sagen Hulk Hodn, Twit One und Memyselfandi, die hinter dem Podcast stecken. Sieben Jahre später ist aus dem ungewissen Projekt eine Serie von über 200 Podcasts geworden. Als RLL tourt das Trio zudem durch Deutschland und spielt Musik seiner Lieblingskünstler. „Konzert“ würden die drei ihre Shows aber nicht nennen. Im Grunde genommen sei das eine Party, auf der sie die Musik spielten, die sie mögen, sagen sie. Nicht mehr. Nicht weniger.

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HULK HODN: „Wenn wir zu dritt sind, spielen wir genau genommen keine Konzerte. Wir spielen ja kein eigenes Beat-Set. Wir legen Platten auf, spielen Songs, die wir mögen. Es ist nie ein festgefahrenes Programm. Wir kennen uns gegenseitig und wissen in etwa, was der andere an Platten dabei hat. Trotzdem überraschen wir uns bei Shows immer gegenseitigen – und inspirieren uns auf diesem Wege auch.“

Ohne Plan hätten sie angefangen, erzählt Hodn. Die drei Producer hingen zusammen ab, spielten sich Platten vor und so kam ihnen die Idee, daraus ein Online-Radio zu machen. „Das scheint nun irgendwie eingerissen zu sein“, sagt der „Beat-Hulk“. Auch laufe RLL unabhängig von den Solo-Projekten. „Das sind zwei verschiedene paar Stiefel.“ Der Name „Radio Love Love“ ist eine Widmung auf den Song „I hate hate“ von Razzy Bailey. Wenn man die Nachrichten, etwa in den aktuellen Jahresrückblicken sich anschaue, werde schnell klar, dass es Liebe ist, was den Menschen bisweilen fehle, findet Hodn, der mit bürgerlichem Namen Patrick heißt. „I hate hate“ – ein Schriftzug, der auch auf den Shirts des DJ-Trios steht – also. Aha. Doch kann man als Beatmacher überhaupt eine Message transportieren, wenn man doch auf Lyrics verzichten muss?

 

Klar! Du kannst aggressive Beats schieben, aber auch entspannte Sachen machen. Du kannst mit Instrumental-Musik daher auf jeden Fall eine Stimmung erzeugen und Gefühle transportieren.

 

Dass RLL funktioniert, dass Hulk Hodn und Beatmacher-Crews wie die Betty Ford Boys auf dem Vormarsch sind, dass es also bei Shows nicht mehr zwingend einen MC braucht, sei eine spannende Entwicklung, findet Hulk Hodn.

HH: „Es gibt mittlerweile Parties, auf denen nur Beat-Sets geballert werden – und die Leute feiern das. Das gab es vor zehn oder 15 Jahren noch nicht und da hätte ich mir das auch noch nicht vorstellen können. Wobei ich, wenn ich Solo auflege, selten Beat-Sets spiele.“

Gewiss hat auch die „Hi-Hat-Club“-Serie, bei der Hulk Hodn und Twit One mit der Premieren-Platte „Testiculo Y Uno“ eine gewisse Vorreiterstellung einnehmen, dazu beigetragen, dass diese Entwicklung vorangebracht wurde. Auf einmal wurden Produzenten (statt der Rapper) gezeigt – und das zuhauf. In diesem Jahr erschien die siebte Auflage der Hi-Hat-Serie, die „Hyasynthus“ von Knowsum. Und die Beatmacher, die abwechselnd für eine Instrumental-LP sorgen dürfen, kamen und kommen aus allen Ecken der Republik. Das verbindet.

HH: „Durch die Musik lernt man in anderen Städten Leute kennen. Erst entsteht meistens eine Freundschaft, dann macht man etwas zusammen. Die Musik ist am Anfang der gemeinsame Nenner. Dann ist man plötzlich in Berlin oder Stuttgart und hängt mit Leuten ab, die man ohne den Sound wohl nie kennengelernt hätte.“

Dennoch spielt Köln in dieser Bewegung eine große Rolle. Nachdem Retrogott-Kurt und Hulk Hodn mit ihrem Debüt damit angefangen hatten, den deutschen MCs verbale Schellen zu verpassen, entstand rund um das Duo eine sich gegenseitig Kölner befruchtende „Entourage“, die immer größer wurde. Und die bestimmt schon dagewesen war, aber erst mit den beiden auch deutschlandweit bekannt wurde: Lazy Jones, Hubert Davis, der Retrogott, Twit One und so weiter. Warum Köln?

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HH: „Ich würde das nicht direkt auf die Stadt beziehen. Vielleicht war es auch Zufall, dass das Ganze in Köln so groß geworden ist. Es sind damals halt viele Sachen gleichzeitig passiert: Das Label ,Melting Pot’ hat mit dem ,Hi-Hat-Club’ diese Richtung eingeschlagen, der Kurt und ich als ,Huss & Hodn’ und die andere Jungs von ,Entourage’ sind einen ähnlichen Weg gegangen …“

Mit dem Retrogott arbeitet Hodn derzeit am sechsten Album, wenn man den Longplayer, der 2015 gemeinsam Hazenberg erschien („Auf ein Neues“) außen vor lässt. Doch wie entscheidet der Produzent, ob ein Beat einen MC bekommt oder nicht?

HH: „Bei mir passiert das einfach so. Wenn etwa der Kurt vorbeikommt und Bock hat, über einen Beat zu rappen, dann macht er das und nimmt das auf. Aber es ist auch schon oft genug vorgekommen, dass ein Beat auf Platte rausgekommen ist, auf den der Kurt im Vorfeld gerappt, aber danach keine Lust mehr hatte. Sehr oft war das so – in 90 Prozent der Fällen (lacht).“

Über das Sprayen und das Skateboarden ist Hulk Hodn erstmals mit Rap-Musik in Berührung gekommen. Er habe sich dann einfach einmal einen Plattenspieler gekauft „und dann willst du als Jugendlicher diese Musik auch irgendwann selber machen“, sagt er. Und wieso gab er sich dann ausgerechnet den Namen „Hulk Hodn“, der an die US-Wrestling-Legende „Hulk Hogan“ erinnert?

HH: „Das war eigentlich eine Schnapsidee. Wir waren auf dem Weg zu einer Party und irgendeiner hat den Namen fallen lassen. Ich hatte das zuvor noch nie gehört und fand es irgendwie lustig. Paar Tage später haben wir ein Mixtape gemacht und gesagt, lass’ uns alle idiotische Namen nehmen. In der Folge hat sich das irgendwie verselbständigt. Wenn ich heute auf eine Party gehe und auf der Gästeliste stehe, dann muss ich sagen:

 

,Ich bin Hulk Hodn.’ Und dann kommst du dir vor wie ein Vollidiot …“

 

Hodn selbst bezeichnet sich in Sachen Produzieren als „Analog-Nerd“. Er gesteht: „Ich habe mir schon diverse MPCs zugelegt und wieder verkauft.“ Am Ende des Tages sei es ihm aber egal, wie ein Track entstehe – ob nur am Rechner oder am analogen Drumcomputer. Am Ende des Tages müsse die Qualität stimmen. Der Rest sei einerlei. „Du musst dein Handwerk verstehen – was das für ein Handwerk dann auch ist, ist eine andere Frage.“ Was dem Plattenliebhaber, der gerade bei RLL-Shows vermehrt auf die Vinyl zurückgreift, indes gegen den Strich geht, ist die Schnelllebigkeit, die Musik im Zeitalter von Producer-Software, Internet und Streaming-Diensten erfährt.

HH: „Für viele ist Musik mittlerweile ein Nebenher-Produkt. Man klickt auf Spotify und lässt irgendeine Platte oder eine Playlist durchlaufen, ohne sie wirklich wahrzunehmen – zumindest manchmal. Ich erinnere mich noch zurück: Ich war viel mit dem Auto unterwegs und habe mir dafür Tapes aufgenommen. Da konnte man nicht skippen, das Tape musste man schon durchhören – und davor musste man es erst einmal in voller Länge aufnehmen. Man hatte einen anderen Bezug zur Musik.“

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Außerdem habe man die Musik immer und überall parat. Man könne sich prinzipiell jeden Track sofort über das Telefon reinziehen, sagt der Kölner. Auch das sorge dafür, dass die Leute ein wenig den Bezug zur Musik verloren hätten.

HH: „Heute kommen auf Shows Leute mit ihrem Handy an und fragen mich, ob ich irgendwelche Tracks spiele. Das mache ich natürlich nicht. Aber das gilt auch für andere Sparten, etwa die Fotografie: Man schießt heute mit dem Handy tausende Fotos, die man auch nicht mehr entwickeln lassen muss. Manchmal aber ist das eine Foto, für das man sich Zeit nimmt, die man sich zu Zeiten des Fotofilms einfach genommen hat, manchmal ist dieses eine Foto viel, viel mehr Wert als tausend andere.“

 

Marcel Schlegel
Author

Schreibt viel und immer mit zwei Fingern. Mal über dies, mal mehr über das. Stärke: die Kommasetzung. Punkt. Ein Werdegang in Linkform – hier: http://bit.ly/2ajtdCU

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