Weniger ist mehr – das wussten schon Dendemann und Rabauke von Eins Zwo. Wun Two gehört ebenfalls zu dieser Spezies von Beatmachern. Der aus dem Schwarzwald stammende Wahl-Bonner hat vor kurzem die „Snow“-LP rausgehauen. Die Beats darauf sind chillig und simpel.
Ein Interview von Marcel Schlegel mit Fotos von Robert Winter
Wun Two ist ein bescheidener Dude. Wer das Internet nach dem Bonner Beatmacher durchforstet, der stößt zunächst einmal auf seine Alben, seine Produktionen, seine Beats, logisch. Fotos des gebürtigen Schwarzwälders jedoch sind online so rar gesät wie ernstzunehmende Ergebnisse bei Klimagipfeln, für einen Künstler ungewöhnlich. Wun Two macht das bewusst – oder sagen wir: mehr bewusst als unbewusst. Ihm gehe Privatsphäre über Promo, würde der 30-Jährige wohl sagen. Oder: ihm dürfte das ganze Drumherum schlichtweg einerlei sein. Ein Beatkeller braucht keinen Internetanschluss.
WUN TWO: „In erster Linie möchte ich im Internet nur ein bisschen Musik – oder wie auch immer man das nennen möchte, was ich mache – zur Verfügung stellen. Und die Musik soll dann meine Person darstellen. Ich lege da keinen besonderen Wert darauf, ob ein Bild von mir nun im Internet steht. Mir geht es immer um die Musik. Aber klar, wenn hie und da ein Foto von mir steht, finde ich das okay, solange es sich in Grenzen hält.“
Und auch auf den Platten, mit denen Wun Two gerade in der jüngsten Vergangenheit auf sich aufmerksam machte, hält er seine fotografisch-persönliche Seite gerne zurück. Die „Ships“-LP von 2013, die „Jazz auf gleich“ aus demselben Jahr mit Eloquent, dem bisher einzigen Album, das einen MC bekam, der „Rio“- und „Penthouse“-LP von 2014 und den neusten Werken, die Platte „Waves“, die mit Corya Yo (2014) entstand, sowie die aktuelle „Snow“-EP (2015) – sie alle weisen schlichte und dennoch vielsagende Illustrationen oder Fotos als Cover aus.
WT: „Ich war als kleines Kind sehr fixiert auf Zeichentrickfilme und Comics. Alles in gezeichneter Darstellung sprach mich direkt an. Vor allem fand ich natürlich solche Charaktere wie Batman, X-Men und vor allem Saber Rider besonders gut. Aber zum Beispiel waren auch Serie wie die Gummibärenbande cool, da gab es zwar weniger Action, aber es war halt Zeichentrick. Das hat mir immer gefallen. Wobei die Gummibärenbande teils ziemlich abging mit ihrem Zaubertrank. Aus diesem Grund benutze ich gerne Malereien und Illustrationen. Mir gefallen eine Zeichnung oder eine Illustration als Cover mehr als mich selbst darauf zu sehen. In erster Linie versuche ich dann etwas zu finden, was zur Stimmung der Musik und der einzelnen Projekte passt. Hierdurch und durch eher vielsagende Projekt-Titel lasse ich dem Hörer gerne ein wenig Eigeninterpretation zu.“
Wun Two beschränkt sich auf das Wesentliche. Das gilt für seine Beats und genauso für Promo und dergleichen. Zum Glück habe er sich im Laufe seiner Karriere nie besonders um Eigenwerbung kümmern müssen. Die ergab sich von selbst: weil die Fans von relaxten und chilligen Instrumentals am Jan aus Bonn halt nicht vorbeikommen. Seine Musik bezeichnet Wun Two als „einfach“ – it’s as simple as that. Dem einen gefallen die Beats, bei denen der Produzent die BPM herunterschraubt wie Deutschland die Feinstaubwerte. Dem anderen ist das sprichwörtlich zu wenig. Das HHV-Mag schrieb einst über seine „Ships“-Platte: „Wun Twos abgedroschene Song-Strukturen verzichten konsequent auf Dramaturgie, Bridges, Hooklines oder Bass (!) und plätschern vor sich hin wie ein Kanu ohne Paddel.“ Wun Two lässt jedem seine Meinung. Die Kritik habe ihn zum Schmunzeln gebracht, denn ein bisschen sei da sogar etwas dran, findet er.
WT: „Ich empfinde meine eigenen Sachen auch als einfach gemacht und im Vergleich mit anderen Musikleuten mag es manches Mal eventuell auch wenig ausproduziert wirken. Aber Bass gibt es eigentlich sehr oft und hie und da auch mal einen Refrain oder so etwas. Aber naja: Ich werte solche Kritik nie als Beleidigung, da es sich ja um eine subjektive Sichtweise des Autors handelt.“
Zurück zum HHV-Mag: Da müsste den eingefleischten Beat-Geeks natürlich aufgefallen sein, dass der Text für einen sehr genre- respektive szenespezifischen und damit recht typischen Kontext geschrieben wurde. Oder wie sollte man solche Sätze denn sonst werten? „Ships gefällt höchstens langjährigen ughh.com-Forum-Mitgliedern (eine Plattform für Underground Hip-Hop, d. Red.) , denen Eastern Conference All-Stars 3 zu synthetisch war und die Hip-Hop seit der Rawkus-Insovlenz beinahe stündlich für tot erklärt haben.“ Wun Two schmunzelt. Ich schmunzle mit ihm.
Er macht da lieber sein Ding und denkt sich: weniger ist mehr.
WT: „Da ich den Umgang mit Menschen, die sich mit solche Themen und Dingen auseinandersetzen, gerne meide, ist es womöglich doch ein kleines Kompliment, was der Autor da so schrieb. Zumindest erscheint es für mich als logisch und gut, dass die Platte dem besagten Autor nicht gefallen hat.“
Wenn er ein Musikstück mache, überlege er sich oftmals zunächst ein kleines Konzept, das alsbald dann schon in einem Cover-Artwork mündet. Danach entstehe meistens schon ein Bild beziehungsweise eine Skizze in seinem Kopf. Für die Umsetzung sucht sich der 30-Jährige meist Unterstützung von Freunden. „Ich erkläre denen dann immer, was ich mir vorstelle oder nenne konkrete Elemente, die ich gerne verwenden würde“, sagt er. So gebe er dann manchmal die grobe Idee vor, aber lasse den Kollegen ihren Gestaltungsspielraum. Und wie läuft das ab, wenn Wun Two einen Beat baut?
WT: „Ich nehme mir gerne Zeit, höre diverse Platten durch und nehme dabei direkt mehrere Sound-Fetzen auf. Wenn die Samples gefunden sind, geht es dann recht schnell. Im Gegensatz zu echter – oder sagen wir: zu normaler – Musik, braucht ein guter Beat für mich keinen bestimmten Aufbau oder eine besondere Dramaturgie. Momentan läuft es meistens so ab, dass ich mit analogen Geräten die Samples von der Platte oder vom Rechner – zum Beispiel auch von YouTube – aufnehme (er lacht, d. Red.). Den Beat baue ich dann aber gerne am Rechner, da mir dort die Sequencer besser gefallen. Aber ob analog oder digital, spielt für mich keine wichtige Rolle. Ich mache das, wie ich lustig bin.“
Wun Two wuchs im Schwarzwald auf, in einem kleinen Dorf bei Donaueschingen. Vor ein paar Jahren verschlug es den Beatmacher dann in die Hauptstadt, dort machte er sich in der Szene einen Namen. Ist es schwerer, aus dem Schwarzwald heraus auf sich aufmerksam zu machen, oder warum der Umzug nach Bonn?
WT: „Ich denke nicht. Für Kunst braucht man vor allem Inspiration, das kann sicherlich eine Großstadt sein, aber genauso gut auch ein Dorf oder viele andere Dinge. Sicherlich kann man in einer Stadt wie Bonn oder Berlin schneller Kontakte knüpfen als im Schwarzwald. Aber ob den Leuten etwas gefällt und ob es sich eben dadurch auch verbreitet und Aufmerksamkeit erhält, ist nicht unbedingt ortsabhängig. Eigentlich braucht man heutzutage ja nur noch das Internet und schon ist man mit der ganzen Welt verbunden.“
Seit 13 Jahren baut Wun Two Beats. Eigentlich habe er das immer nur für sich gemacht. „Ich hatte nie den Drang, das zu veröffentlichen. Irgendwann, vielleicht vor fünf oder sechs Jahren, habe er dann doch mal was auf Soundcloud gestellt und das Ganze nahm seinen Lauf. „Ich habe schon immer gerne Musik gehört. Als ich dann so langsam begriffen habe, wie das mit dem Samplen funktioniert, dachte ich mir, das probiere ich auch mal“, beschreibt er seine Anfänge. Wun Two macht Beats als Hobby. Mehr als eine halbe Stunde brauche er nie für ein Stück. „Am Ende folge ich immer einer ähnlichen Struktur und die ist einfach“, verrät er.
Understatement gehört ebenfalls zum Selbstverständnis des Bonner Produzenten.
Während dem Bachelor in „Medieninformatik“ und dem Master in „Design Interaktiver Medien“ habe er oft genug Zeit gehabt, an den Instrumentals zu schrauben. „Man kennt das ja im Studium: Die ersten drei Monate des Semesters lässt man es ruhig angehen, da hat man viel Zeit für schöne Sachen. Dann kommen zwei stressigere Monate und dann wiederholt sich das Ganze“, sagt er und lacht. Für ihn sei das Musikmachen nie als Vollzeitjob in Frage gekommen.
WT: „Ich versuche auch gar nicht, mit meinen Beats meinen Lebensunterhalt zu finanzieren. Es war noch nie mein Bestreben, davon zu leben. Ich finde alles gut, so wie es ist. Ich mache das einfach gerne als eine Art Hobby und als Selbstreflexion und finde es schön, dass ich nicht darauf angewiesen bin, ob sich die Platten gut verkaufen. Ich bilde mir ein, dass man auf diese Weise auch den Spaß an der Sache nicht so schnell verliert und das Ganze auch nicht zu ernst nimmt.“
Mit den im Genre klassischen Fragen, ob man als Producer, der naturgemäß eher im Hintergrund steht, ebenfalls eine Botschaft vermitteln kann oder ob das analoge Produzieren die Streu vom Weizen trenne, will sich Wun Two eigentlich nicht herumschlagen. So etwas sei oftmals konstruiert. Unnötig. So etwas lenke vom Wesentlichen ab: von der Musik. Nun muss Wun Two dennoch mal ran. Und bitte …
WT: „Ja, man kann auch als Beatmacher eine Botschaft senden. Aber auf einer abstrakteren Ebene. Genau das gefällt mir. Es ist weniger konkret und jeder Hörer kann die Botschaft anders verstehen und für sich interpretieren. Aber man will ja vielleicht auch gar nicht immer eine besondere Botschaft vermitteln. Gerade das gelingt dann auch eher einem Beatmacher, da der MC immer automatisch eine Botschaft hat, er muss ja schließlich was sagen.“
Wun Two wurde durch das Internet bekannt. Eben durch jene Plattform, auf die er selbst nicht allzu viel Wert legt. Doch auch er hat erkannt, dass es schon Unterschiede zwischen dem Damals und dem Heute gibt, wenn es ums Hören von Alben geht. Streaming-Plattformen führen bisweilen dazu, dass man Platten digital nur noch durchskippt, auf der Suche nach dem einen Track. Man gibt einem Lied, das einem auf Anhieb nicht so sehr taugt, selten eine zweite Chance, weil ein Klick es kinderleicht im Dschungel der Millionen von digitalen Dateien verschwinden lässt, wo bereits eine weitere Milliarde Tracks darauf warten, angeklickt zu werden, um bei Nichtgefallen wieder in den endlosen Weiten des Internets zu verschwinden. Hat die Musik dadurch nicht an Wert verloren?
WT: „Es liegt ja vor allem in der Hand des Hörers, wie das gehandhabt wird. Sicherlich tragen aktuelle technische Entwicklungen und natürlich auch der wachsende Markt dazu bei, dass einzelne Werke an Bedeutung verlieren. Aber der Wert, der einer bestimmten Musik entgegengebracht wird, ist vor allem abhängig von der hörenden Person und deren Einstellung zur Musik im Allgemeinen. So wird ein wirklicher Musikliebhaber immer seine Lieblingsplatten und -künstler haben und denen auch einen hohen Stellenwert zuschreiben.“
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